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01.02.21 –
Oberbürgermeisterkandidatin Doreen Fragel auf den Offenen Brief von Göttingen Zero:
Liebes GöttingenZero-Team,
zunächst bedanke ich mich für Ihr hohes ehrenamtliches Engagement für ein klimaneutrales Göttingen. Gern nehme ich Stellung zu dem EU-Programm "100 Climate-neutral Cities by 2030 – by and for the Citizens", Teil der Mission „Klimaneutrale und intelligente Städte“ .
EU-Missionen dienen stets der Bewältigung großer gesellschaftlicher Herausforderungen, hier insbesondere die Anpassung an den Klimawandel und ein Leben in grünen Städten. Die Missionen spielen eine entscheidende Rolle bei der Verwirklichung des Green Deals. Unsere Städte nehmen 3% der Landfläche der Erde ein, produzieren aber über 70% der Treibhausgasemissionen.
Frage 1:
Streben Sie an, dass sich Göttingen mit einer eigenen Bewerbung an dem
Programm "100 Climate-neutral Cities by 2030 – by and for the Citizens"
beteiligt?
Ich werde bereits jetzt und selbstverständlich als Oberbürgermeisterin der Stadt Göttingen eine Bewerbung an dem Programm "100 Climate-neutral Cities by 2030 – by and for the Citizens" vorantreiben und maßgeblich moderieren. Da der Aufruf zur Teilnahme wohl bereits zu Beginn diesen Jahres erfolgen wird, bedarf es bereits ad hoc einer Vorbereitung für eine umfassende Bewerbung in der 1. Phase, die dann nach erfolgreicher Bestätigung einer konkreten Ausarbeitung für den „climate-citycontract“ (2. Phase) bedarf, bevor Finanzierungsmittel zur Realisierung der Projekte zu Verfügung gestellt werden. Mithin verweise ich auf Punkt 5 des Ratsantrages von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zur Ratssitzung am 12.2.2021.
Frage 2:
Wie fügen sich Ihre Ziele im Klimaschutz in Ihre Pläne für die wirtschaftliche
Erholung in Göttingen nach der Corona-Pandemie?
In jeder Krise steckt die Chance für einen Neuanfang. Umfangreiche Investitionen in klimafreundliche Technologien, Gebäudesanierungen und Mobilitätsinfrastruktur müssen stets aus Sicht der zu erreichenden Klimaneutralität geplant und realisiert werden. Mit Integrierten energetischen Quartierskonzepten werde ich eine nachhaltige Stadtentwicklung realisieren. Mit bereits etablierten Beratungs- und Förderangeboten für Unternehmen werde ich die Menschen unterstützen, um in Göttingen handlungsfähig bleiben zu können. In Unternehmensnetzwerken werden die CO2- Reduktionspfade aufgezeigt, um nachhaltige Investitionen zu planen und umzusetzen. Außerdem wird ein lokales Förderprogramm für Altbausanierungen Privater vor Ort helfen, die dringend notwendige Sanierungsquote auf mindestens 2% zu erhöhen.
Meine Erfahrungen mit dem bereits etablierten Förderprogramm Altbausanierung des Landkreises Göttingen zeigen deutliche Effekte der Sanierungsbereitschaft und der lokalen Wertschöpfung, sofern ein nachdrücklich lokaler Bezug besteht. Mit mir als Oberbürgermeisterin wird die Stadt Göttingen glaubhaft vorangehen und das große Engagement nicht nur in Konzeptpapieren manifestieren.
Frage 3:
Wie beabsichtigen Sie, die für das Erreichen der Klimaneutralität notwendigen
zusätzlichen Investitionen zu mobilisieren?
Grundsätzlich muss die Endlichkeit der globalen Ressourcen anerkannt und in unsere Wirtschaftsweise einbezogen werden. Es müssen volkswirtschaftliche Wirkmechanismen geschaffen werden, die die Umsetzung der UNNachhaltigkeitsziele und ein Leben in Wohlstand mit nachhaltigem Wachstum ermöglichen. Mechanismen zur beschleunigten Verteuerung der THG-Emissionen müssen verstärkt, Ausnahmetatbestände für die Wirtschaft deutlich reduziert und zugleich sozial ausgewogen gesteuert werden. Mit nationalen Fördermittelarchitekturen allein wird das nicht gelingen.
Nachhaltiger wirtschaftlicher Erfolg stellt sich dann ein, wenn er die globalen Ressourcen achtet und nicht auf der vollständigen Zerstörung unserer Lebensgrundlagen beruht. Dies bedeutet insbesondere den Bereich der Suffizienz, dem größten Bereich zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen, deutlich mehr Raum einzuräumen als heute. Parallel dazu ist auch die Erkenntnis zu vermitteln, dass diese große Veränderung eine Befreiung und keine Kasteiung bedeutet.
Da sich die Umsetzung der Klimaschutzziele in erster Linie in den Kommunen – also bei uns in Göttingen - abspielt, ist es m.E. elementar, dass den Kommunen in den gesetzgeberischen Prozessen ein sehr viel höheres politisches Gewicht verliehen wird. Ich habe mich in den vergangenen Jahren kontinuierlich in Brüssel, in Berlin und in Hannover für eine ganzheitliche Veränderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen stark gemacht. Dieses Engagement werde ich auch und insbesondere als Oberbürgermeisterin der Stadt Göttingen fortsetzen. Wir brauchen den Mut zur gesellschaftlichen Veränderung und diese gesellschaftliche Veränderung kann durch umfangreiche Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen und mit der Beteiligung der Stadtgesellschaft auch hier in Göttingen geleistet werden.
Notwendige Investitionen für diesen Transformationsprozess kann die Stadtgesellschaft meines Erachtens nur zum Teil allein aufbringen. Sicher werden wir neben dem o.g. Engagement umfängliche Förderungen von Land, Bund und EU akquirieren müssen. Das "100 Climate-neutral Cities by 2030 – by and for the Citizens"-Programm wird dafür ebenso maßgeblich sein, wie Bundes- und Landesförderungen. Ich akquiriere seit mehr als 10 Jahren verschiedenste Fördermittel für die Stadt und Region Göttingen. Maßgeblicher Ansatz wird es für mich sein, Expertennetzwerke projektgebunden zu organisieren, um erfolgreiche Förderanträge einzureichen. Göttingen verfügt über viel Know How, dass nicht nur beim "100 Climate-neutral Cities by 2030“ – Programm mobilisiert werden muss. Der Pfad zur Klimaneutralität ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die – wie im angekündigten Call erfreulicherweise explizit adressiert ist – die gesamte Stadtgesellschaft in die Verantwortung bringen muss. Seit Jahren etabliere ich im Rahmen meiner Tätigkeit als Geschäftsführerin der Energieagentur Region Göttingen verschiedenste Projekte, die Bürger*innen, Unternehmer*innen, Kommunen und Institutionen einbindet. Ich werde neue bürgerschaftliche Finanzierungsmodelle anbieten, die vorhandene genossenschaftliche Projekte in Göttingen stärken und auch die Wirtschaft – soweit möglich – begeistern, Kofinanzierungsmittel für diesen Umbau zur Verfügung zu stellen.
Meine Erfahrungen zeigen, dass Investitionen in den Klimaschutz insbesondere die heimische Wertschöpfung stärkt. Hier werde ich den Fokus darauf legen, dass gut qualifizierte Handwerks- und Industrieunternehmen in der Lage sind, den Anforderungen gerecht zu werden, um möglichst viele Projekte zu realisieren. Ein besonderer Fokus ist dabei auch auf die Ausbilungscurricula zu richten, denn für diesen Prozess benötigen wir viele Fachkräfte im Handwerk aber auch in der Industrie. Als Oberbürgermeisterin werde ich mich dafür stark machen, dass sowohl Göttingen ein weltoffenes und innovatives Umfeld bietet als auch mit Handwerkskammer, Kreishandwerkerschaft, IHK und Berufsbildenden Schulen eine Ausbildung für Klimaschutz und Technologietransfer plant und realisiert.
Last but not least: eine klimafreundliche, innovative Stadt wird nicht nur die Bürger*innen vor Ort begeistern, sondern auch Menschen aus aller Welt, denn wir benötigen zunehmend gute Fachkräfte in unserer weltoffenen Stadt.
Frage 4:
Wie schätzen Sie das „prepardness-level“ Göttingens ein?
Göttingen hat sich bereits 1991 auf den Weg zu mehr Klimaschutz gemacht. Strukturen sind in vielfältiger Weise bereits vorhanden. Leider hatte die politische Mehrheit in den letzten Jahren nicht den Mut, voranzugehen. Gute Grüne Ansätze wurden verhindert. Allein der Masterplan 100% Klimaschutz wurde nur mit Mühe vom Rat „zustimmend zur Kenntnis genommen“. Einige wenige Projekte sind bereits angestoßen oder umgesetzt. Jedoch fehlt eine engagierte und ambitionierte
Steuerung, um schnellstmöglich, gesamtgesellschaftlich vertretbar und sozial ausgewogen den Pfad zur Klimaneutralität zu realisieren. Ich werde als Oberbürgermeisterin mutig den Pfad zur Klimaneutralität voranbringen. Daher sehe ich Göttingen bereits in level 2.
Frage 5:
Ist Göttingen für den zur Einhaltung des 1,5 Grad Ziels des
Klimaschutzabkommend von Paris notwendigen schnellen Übergangs zur
Klimaneutralität schlechter vorbereitet als Kassel, Marburg und Tübingen?
Grundsätzlich ist Göttingen mit seinen Strukturen in der Lage, engagiert für den Klimaschutz einzutreten. Dafür bedarf es einer klaren Zielrichtung, die ich als Oberbürgermeisterin vertreten und mit den notwendigen Schritten umsetzen werde: sofern die Stadtgesellschaft motiviert wird, engagiert am Umbau teilzuhaben, die Verwaltung mit ihren Liegenschaften und städtischen Gesellschaften Vorbild ist und die europäischen wie bundesrechtlichen Rahmenbedingungen Rückendeckung geben, wird dieses Großprojekt gelingen. Kassel, Marburg und Tübingen sind zum Teil weiter als Göttingen, zum Teil aber auch hintenan. Der mehr als deklaratorische Charakter des Beschlusses zur Klimaneutralität 2030 wird in den Kommunen deutlich, wo die CO2-Einspareffekte im konkreten Klimaplan unter den jetzigen Bedingungen nur zu 47% erreicht werden.
Aus meiner Erfahrung hat jede Region ihre eigenen Besonderheiten, sodass Vergleiche oft nicht hilfreich sind. Gute Beispiel hingegen sind wertvoll und durchaus erlaubt, nachzumachen. Fakt ist, wir sind in Göttingen keine Insel und müssen uns in dieser Region Südniedersachsen auch im Kontext des Klimaschutzes gesamtstrategisch auf den Weg machen. Nur mit einer guten Regionalplanung in vielen Bereichen wie z.B. Verkehr, Wohnungsbau, Energieversorgung und - erzeugung, Gewerbe/Handel/Dienstleistung können große Veränderungsprozesse angeschoben werden. Dafür werde ich mich stark machen!
Als Oberbürgermeisterin für Göttingen werde ich mich mutig für unsere Stadt einsetzen. Klimapolitik ist Sozialpolitik! Meine Themensetzung ist ökologisch, sozial und nachhaltig.
Ich freue mich auf den weiteren Dialog mit Ihnen und Euch.
Herzliche Grüße,
Doreen Fragel
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