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07.01.15 –
In den letzten Wochen waren im Tageblatt immer wieder Leserbriefe zu finden, in denen Anwohner ihre Bedenken gegen den geplanten Bau von Flüchtlingsheimen in der Nachbarschaft äußern. Bei Einigen steht die Sorge um den Wert des Eigenheims im Mittelpunkt - bei anderen die Sicherheit der Tochter auf dem Schulweg. Auch wir als Politikerinnen und Politiker bekommen solche Briefe - und sie erschrecken uns zutiefst.
Es ist verständlich, dass es Ängste gibt. Wir sind aber auch überzeugt, dass nicht die Flüchtlingsheime eigentliche Ursache dieser Ängste sind. Es ist die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, davor den Kredit für das Haus nicht mehr bezahlen zu können, davor dass unsere Kinder es später schlechter haben werden als wir, der wir machtlos gegenüberstehen. Aus der Angst um das Häuschen wird die Angst vor dem Flüchtlingsheim, weil es greifbarer ist, weil man dagegen etwas tun kann.
Leider ist es sehr schwer, diesen Ängsten mit Argumenten zu begegnen. Doch sie sind ein Irrtum - sie sind es in der Sache und sie sind es moralisch. Die Menschen, die in diesen Heimen wohnen, sind keine „Ausländer“, keine „Zuwanderer“ und keine „Flüchtlinge“. Es sind Architekten und Bauarbeiter, Krankenschwestern und Ärzte, Mütter und Väter, Großeltern und Kinder. Sie haben in einem anderen Land vielleicht auch ein Haus gebaut, das sie zurücklassen mussten, weil die Wände und Türen sie nicht vor Kugeln und Granaten schützen konnten. Sie sind vielleicht vor der Gefahr geflohen, dass ihre Töchter auf dem Weg zur Schule erschossen werden - oder Schlimmeres. Sie haben ihr ganzes bisheriges Leben zurückgelassen, um sich und ihre Familien zu schützen und sie verdienen die Chance auf einen Neuanfang. Sie verdienen es, dass wir ihnen nicht mit Angst begegnen.
Diese Menschen sind weder eine Bedrohung für unsere Kultur noch für unsere Gesellschaft - und schon gar nicht für unseren Reichtum. Viele von ihnen kommen hierher, weil Deutschland und Europa heute den alten Traum von Recht und Gerechtigkeit verkörpert. Sie bedrohen unsere Kultur nicht - sie wollen an ihr teilhaben! Sie bringen neben allem anderen auch ihre Ausbildung und ihr Wissen mit - und viele von ihnen den festen Willen, sich hier ein neues Leben aufzubauen. Sie werden viel zu unserem Reichtum beitragen, wenn wir sie nur lassen.
Auch Politik und Verwaltung wurden überrascht von der großen Zahl der Flüchtenden. Dass jetzt auch in Göttingen größere Aufnahmeeinrichtungen gebaut werden, hängt schlicht mit der Not zusammen, die Menschen irgendwo unterbringen zu müssen. Es sind sich alle bewusst, dass der Bau von Heimen für die Erstunterbringung nicht die optimale Lösung ist. Es geht aber nicht anders, weil jede andere Lösung, jeder andere Platz schlechter wäre. Deshalb können wir die Anwohner - aber auch alle anderen Göttinger - nur um Solidarität mit den Geflüchteten und ein wenig Vertrauen in Politik und Verwaltung der Stadt bitten.
Als eine reiche Gesellschaft und eine reiche Stadt sind wir verpflichtet, unseren Reichtum mit jenen zu teilen, die alles zurücklassen mussten, um ihre nackte Haut zu retten. Als ein Land, das mehr als seinen Teil zu Krieg, Vertreibung und Völkermord beigetragen hat, ist es unsere Pflicht, nicht die Tür zu verschließen, wenn die Opfer von Krieg, Vertreibung und Völkermord um Einlass bitten.
Kontakt:
Mathis Weselmann, Sprecher Kreisvorstand Bündnis 90 / DIE GRÜNEN Göttingen, Tel.: 0176 21728070, Mail: mathis.weselmann@ gruene-goettingen.de
Marie Kollenrott, Sprecherin Kreisvorstand Bündnis 90 / DIE GRÜNEN Göttingen, Mail: Marie.kollenrott@ gruene-goettingen.de
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