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10.07.20 –
Rede von Mehmet Tugcu zu TOP Ö 13 der Ratssitzung am 10. Juli 2020
(Es gilt das gesprochene Wort)
"Sehr geehrte Damen und Herren,
Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder daraufhin gewiesen, dass die Stadtverwaltung in aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen stets ihr Ermessen zu Gunsten der Betroffenen auslegen soll. Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund benötigen Sicherheit und eine Aufenthaltsperspektive, die ihnen eine Zukunft in unserer Stadt (Göttingen) ermöglicht.
Die Vermittlung und Verwirklichung dieses Ziels ist angesichts der zunehmenden sozialen und politischen Widersprüche noch wichtiger geworden. Wir sind sehr froh, als einer von drei Modellkommunen für das Projekt „WiB - Wege ins Bleiberecht“ vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung sowie der Deutschen Postcode Lotterie ausgewählt worden zu sein. Es handelt sich dabei um ein auf drei Jahre angelegtes Projekt des Flüchtlingsrates Niedersachsen, welches Bleibeperspektiven für Langzeitgeduldete entwickeln will und am 1. Juli 2019 startete.
Nach dem Brandanschlag auf die Ausländerbehörde hat die Stadt ihre Teilnahme an dem Projekt abgesagt, da sie in der Folge eine erhebliche Reduzierung des Personals befürchtet. Aber: Keinesfalls darf die Verwaltung (Service)Leistungen für den Bürger*innen streichen, wenn (Arbeits)Kapazitäten in der Verwaltung fehlen. So sehr wir die Schwierigkeiten der Verwaltung sehen, kann es nicht sein, dass die Klienten und Klientinnen der Ausländerbehörde und unter ihnen die Schwächsten, die Leidtragenden des Personalmangels der Ausländerbehörde sind. (Siehe Zwischenbericht 2019 –Mai 2020 zur Umsetzung der 2. Fortschreibung des Integrationskonzeptes in der Stadt Göttingen, Seite 27).
In Göttingen lebten Ende 2019 rund 450 (459) Personen mit einer Duldung, viele von ihnen seit Jahren. Diese Menschen leben in vollkommener Unsicherheit, Angst und ohne jegliche Zukunftsperspektive in Göttingen. Für einen Teil von ihnen wurde mit der Verabschiedung des so genannten Asylpaketes die rechtliche Situation nochmals erheblich erschwert. Mit dem Projekt „WiB – Wege ins Bleiberecht“ sollen für/mit Langzeitgeduldeten eine bleiberechtorientierte Perspektive entwickelt werden. Hierfür soll von der Ausländerbehörde die aufenthaltsrechtliche Situation Geduldeter systematisch erfasst werden, um so Modelle und Konzepte für ein Bleiberecht entwickeln zu können. Die so entwickelte Handreichung zeigt der Ausländerbehörde Wege auf, die unter Ausschöpfung der gesetzlichen Bestimmungen ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht für Geduldete zu ermöglichen. Zu den möglichen Wegen ins Bleiberecht gehören unter anderem die Beschäftigungs- oder Ausbildungsduldung. Die Ausländerbehörde soll auf das umfangreiche Beratungsangebot (Fair Bleib, Migrationszentrum, MEB) in Göttingen hinweisen.
Die Zuwanderungspolitik darf nicht unter rein ordnungspolitischen Gesichtspunkten betrachtet werden, sondern umfasst alle Bereiche unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Die Kooperationsvereinbarung mit dem Flüchtlingsrat Niedersachsen hilft dabei, die Möglichkeiten und Chancen der Langzeitgeduldeten zu erfassen und systematisch auf sie zu reagieren. Göttingen ist eine weltoffene Stadt, die für Solidarität und Integration steht. Das Projekt „WiB – Wege ins Bleiberecht“ und die Zusammenarbeit mit dem Flüchtlingsrat Niedersachsen ist hierfür ein wichtiger Schritt.
Abschließend möchte ich an dieser Stelle noch einmal hervorheben, dass es sich hierbei um keinen Angriff gegen unsere Ausländerbehörde handelt. Weiterhin liegt es mir fern, unsere Kolleginnen und Kollegen zu diskreditieren. Sie machen schließlich einen harten Job, bei dem sie sich tagtäglich neuen Aufgaben und Herausforderungen stellen müssen.
Auch ich verurteile den Anschlag auf unsere Ausländerbehörde aufs schärfste, jedoch dürfen wir uns von solch feigen Aktionen nicht daran hindern lassen, den Antragsteller*innen einen fairen und korrekten Ablauf zu gewährleisten. Unsere oberste Priorität ist es nämlich den Geduldeten eine Perspektive für die Zukunft zu bieten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit."
Link zu unserem Antrag >>hier<<
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